Verbesserte Bewertung von Transformatoren der offenen Bauart nach DIN EN 60599

1.Ausgangssituation
Die Norm zur Interpretation der Analyse gelöster und freier Gase gilt für geschlossene Transformatoren. Die Unterschiede zwischen offenen und geschlossenen Transformatoren werden als nur gering bewertet, so dass einheitliche Kriterien gelten, deren Wertebereiche ohne Berücksichtigung von Unterschieden entstanden sind. Eine Anmerkung in Pkt. 6.1 räumt allerdings Einflüsse der offenen Bauart ein, die dann nach Aussage der Norm alle Kriterien beeinflussen. Die wünschenswerte Aufklärung möglicher Einflüsse der offenen Bauart setzt ihre Quantifizierung voraus.

2.Quantifizierung der offenen Bauart
Langjährige Erfahrungen mit TGM-Rücksättigungsmessungen nach Entgasungen geben einen detaillierten Einblick in den Gashaushalt. Fig.1 zeigt die typischen Konzentrationsverläufe ausgewählter Gase bis zur Sättigung mit Stickstoff. Die Sättigungskonzentration liegt bei ca. 66.000 ppm N2 ± 10% und entspricht der Löslichkeit von Luftstickstoff, was bedeutet, dass im Gasraum des Ausdehners näherungsweise Luftzusammensetzung vorliegt. Die Sättigungskonzentration ist von der Höhenlage des Aufstellungsortes sowie der Öltemperatur abhängig. Die Zeitdauer bis zur Sättigung wird von den konstruktiven Merkmalen des Transformators, den Aufstellungsbedingungen sowie seiner Grundfahrweise bestimmt. Der N2-Konzentrationsverlauf lässt sich ausreichend genau mit einer Exponentialfunktion beschreiben. Damit besitzt das Inertgas Stickstoff alle Voraussetzungen, um die Quantifizierung der offenen Bauart zu ermöglichen.

Rücksättigungsmessung an einem offenen Transformator
Fig.1 Rücksättigungsmessung an einem offenen Transformator

In der Praxis werden sehr unterschiedliche Rücksättigungszeiten ermittelt, die von der anfänglichen Stickstoffanstiegsrate abhängig sind. Die Normierung dieser Rate auf den am wenigsten offen ermittelten Transformator führt zur Transformator-Offenheitszahl (TON), die eine dimensionslose Maßzahl für die Quantifizierung der offenen Bauart darstellt. Sie ist individuell und grundlegend sowohl für den Transport der atmosphärischen Gase in den Kessel als auch für den der Fehlergase in den Ausdehner. Für die untersuchten Transformatoren liegen die TON zwischen 1 (wenig offen) und 9,2 (sehr offen). Im Vergleich dazu beträgt für Transformatoren mit dichtem Air Bag die TON ≈ 0,01.
Mit der Transformator-Offenheitszahl ist es möglich, aus stationären Gaskonzentrationsniveaus Gasverbrauchs- bzw. Gasemissionsraten zu bestimmen.

3.Sauerstoffverbrauch (OCR)
In Fig.1 wird auch das Verhalten von Sauerstoff sichtbar. Die Konzentration des reaktiven Sauerstoffs zeigt im Unterschied zum Stickstoff Abhängigkeiten vom Alterungszustand des Isolationssystems, was zu einer deutlichen Absenkung unterhalb der Sättigungskonzentration (ca. 32.000 ppm) führen kann. Last-/Temperaturänderungen werden durch reversible Konzentrationsänderungen sichtbar (z.B. Sommer/Winter-Einflüsse).
In der Norm wird die Sauerstoffabsenkung über den Quotienten O2/N2< 0,3 kontrolliert (entspricht < 20.000 ppm O2 als Richtwert) und bewertet (beschleunigte Oxidationsreaktion). Dahinter verbirgt sich die Bilanz zwischen Sauerstoffeintrag und -verbrauch, letzterer quantifiziert die Oxidationsreaktionen. Der Sauerstoffeintrag kann aus der Exponentialfunktion für Stickstoff unter Einbeziehung der Differenz zwischen berechneter Sättigungs- und gemessener Konzentration des Sauerstoffs (cO2) bestimmt werden. Fig.2 zeigt die danach berechneten Kurven für den Sauerstoffverbrauch (ppm O2/Woche) als Funktion von TON und cO2.

Sauerstoffverbrauch in offenen Transformatoren
Fig.2 Sauerstoffverbrauch in offenen Transformatoren

Die ermittelten OCR-Werte für die untersuchten Transfor-matoren liegen zwischen 3 ppm O2/w (Neuinbetriebnahme) und 2860 ppm O2/w (gestresster Industrietransformator). Mit cO2 < 28.000 ppm beginnt der Verdacht erhöhter OCR-Werte (> 500–1000 ppm O2/w). Die genaue Bestimmung mit bekannter TON ist dann zu empfehlen.
Für Transformatoren der offenen Bauart wird anstelle eines Richtwertes für die Sauerstoffkonzentration erstmals mit dem Sauerstoffverbrauch eine individuelle Kennung der Alterungsbeschleunigung gefunden, die für Maßnahmen zur Substanzerhaltung benutzt werden kann.

4.Gasemissionsrate (GER) für gering öllösliche Fehlergase
In Fig.1 ist das unterschiedliche Verhalten der Fehlergase sichtbar. Das gut öllösliche Kohlendioxid steigt im Überwachungszeitraum stetig an, so wie in einem geschlossenen Transformator, was auch auf die gut öllöslichen Kohlenwasserstoffe zutreffen würde. Dagegen zeigen die gering öllöslichen Fehlergase Wasserstoff und Kohlenmonoxid, bedingt durch die Verluste der offenen Bauart, stationäre Niveaus. Damit ist es nicht möglich, entsprechend der Norm durch Differenzmessungen die GER zu bestimmen. Auf Basis der Transformator-Offenheitszahl kann man den funktionalen Zusammenhang zwischen Fehlergaskonzentration (cFG) und Gasemissionsrate herstellen. Anhand auffälliger cFG-Werte und mit durch Nachhermetisierung bestimmten GER-Werten sind die Kurven für Wasserstoff und Kohlenmonoxid entstanden (Fig.3).

Gasemissionsrate gering öllöslicher Fehlergase
Fig.3 Gasemissionsrate gering öllöslicher Fehlergase

Mit cH2 > 40 ppm (cCO > 400 ppm) beginnt der Verdacht erhöhter GER-Werte (> 5 ppm H2/w bzw. > 50 ppm CO/w). Die genaue Bestimmung mit bekannter TON ist dann zu empfehlen. Praxisbeispiele für die Quotienten von gut öllöslichen mit gering öllöslichen Fehlergasen (C2H2/H2 , CO2/CO) zeigen mit GER-Werten zutreffende Diagnosen. Konzentrationsquotienten können bis Faktor 10 zu hoch sein. Analoges muss für jedes Diagnoseschema, an dem Wasserstoff beteiligt ist, beachtet werden.
Konzentrationen gering öllöslicher Fehlergase sind nicht geeignet für Diagnosen, sondern die Gasemissionsraten, die sowohl die Aktualität eines Fehlers erkennen, als auch die Fehlerart bestimmen lassen.

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